Art Rotterdam 2019

13.02.2019

Larissa Sansour, aus der Serie Nation Estate, 2012, Manger Square

In ihrem 20sten Jahr bleibt sich die Art Rotterdam treu:
die Messemacher achten auf ein unprätentiöses Layout und vergleichsweise erschwingliche Teilnehmer Gebühren. In Folge dessen sind Pelzmäntel in der überfüllten Garderobe zwar die absolute Ausnahme und es gibt keine VIP-Lounge. Dafür gilt das Interesse der zahlreichen Besucher in Rotterdam eindeutig den Exponaten und das Lächeln in den Gesichtern der Aussteller wirkt weit weniger gezwungen, als in Köln oder Basel. Ob dieses Rezept aber eine Impfung gegen die Veränderungen des allgemeinen Wandels im Kunstmarkt sein kann, ist zweifelhaft.

Die Zahlen sprechen für sich: 2014 erst zog die Messe in die Van Nellefabriek, ein architektonisches UNESCO Kulturerbe. 2015 zählte man 132 Galerien, davon mehr als die Hälfte aus dem Ausland (13 aus Deutschland). In diesem Blütejahr des Rotterdamer Kunstmarktes installierte man die ‚Positions‘, eine Halle, in der nicht kommerzielle Kunstpositionen zu einer messeeigenen Ausstellung zusammengefasst wurden. Seither bespielen namhaften KuratorInnen diese Talentshow unabhängig von Marktgängigkeit oder Galerierepräsentanz.
Heute, 2019, ist die Teilnehmerzahl auf 90 geschrumpft, etwa 40 kommen aus dem Ausland. Um es nochmal zu betonen: in vier Jahren ist ein Drittel der Galerien ausgeblieben, was die angespannte Lage des allgemeinen Kunstmarktes – nicht nur in Holland – widerspiegelt.

Hier liegt sicher ein Grund für das wenig mutige Programm der Galerien. Viele kleine Formate, dekorativ, (mit Ausnahmen) unpolitisch, bunt, bunt und nochmals bunt.
Die Gleichförmigkeit der Standgrößen wirkte demokratisch, wenig Platzhirsch Revier, ein schneller  Überblick war garantiert. Der Gang durch die Reihen kann getrost als (Achtung Wortspiel) Spaziergang durchs ‚Flatland‘ beschrieben werden, bei dem wir nur selten anspruchsvolle Höhen erklimmen mussten. Um es nicht zu lang werden zu lassen: im Rückblick haben wir die Galerie Stigter van Doesburg positiv in Erinnerung, die auf der Messe offenbar voll auf ihr Galerieprogramm gesetzt hat und ein Großformat von Helen Verhoven und ein Objekt von Lucas Lenglet präsentierte. Eine weitere sehenswerte Ausnahme waren vor allem die Werke der dänischen Künstlerin Larissa Sansour – mehrere inszenierte Fotografien, eine großformatige Projektion und eine Plastik. Von der sie vertretenden Galerie Montoro 12 aus Brüssel erfuhren wir, das Sansour Dänemark auf der kommenden Biennale in Venedig vertreten wird. Wer dachte, dass nach so vielen Jahrzehnten digital collagierter Fotografien hinter Plexiglas von diesem Metier nichts mehr zu erwarten sei, der öffne die Augen und schärfe die Sinne. Großes Kino auf nur 75 x 150 cm.

Ein Höhepunkt der Messe war der Besuch des Standes von Frank Taal. Und das insbesondere, weil wir einen Galeristen kennen lernen durften, der mit großer Begeisterung hinter den Werken seiner Künstler steht. Beeindruckt hat uns die Installation von Midas Zwaan. Ebenfalls erfrischend anders waren die Wandarbeiten von Tom Woestenborgh und Bram Braam.

Auch 2019 beheimatete die Art Rotterdam in einer großzügig installierten Halle eine Extrashow, die Prospects & Concepts 2019. Kuratiert von Macha Roesink und gefördert von der Mondrian Foundation, zeigten 67 talentierte Künstler ihre Projekte. Was für ein Genuss in der großen Halle auf Entdeckungsreise zu gehen. Vergleichen wir das Angebot der kommerziellen Messe nebenan mit den hier gezeigten Arbeiten, wird klar, dass der Begriff Kunst auf zwei vollkommen unterschiedliche Weisen gefüllt wird. Dort visuell Gefälliges, hier inhaltlich Getriebenes, dort Erwartbares, hier Überraschendes, Herausforderung, Beunruhigung, Aufregendes. Politische, gesellschaftskritische oder individuelle Themen rütteln ein ums andere Mal auf, überschreiten die Grenzen unserer Komfortzone und ziehen uns auf ihre Seite; das, was wir uns von Kunst erhoffen. Namen, wie Verena Block, Julius Thissen, Prins De Vos oder Clarinde Wesselink haben wir uns gemerkt. Es steht nicht zu hoffen, dass diese Künstler in den kommenden Jahren die Wände der Galerien nebenan erobern, doch solange die Art Rotterdam sich die Prospects & Concepts gönnt, lohnt die Fahrt nach Rotterdam allein für einen Rundgang in dieser Halle.