Von mir aus – Dunja Nasseri im KIT Düsseldorf
03.04.2019
Das KIT lädt in den Tunnel. Dort läuft seit dem 23. März die Ausstellung ‚Von mir aus‘. Der Ausstellungstitel erinnert stark die Blockbuster Show ‚von hier aus‘,1984 von Kaspar König in einer profanen Messehalle kuratiert. König zeigte der Welt, welche bedeutenden Künstlerinnen und Künstler (63 an der Zahl) in Düsseldorf lebten und arbeiteten. Auch ‚Von mir aus‘ zeigt ausschließlich Düsseldorfer Kunst, doch begrenzt die Kuratorin des Kunsttunnels, die Auswahl auf vier Künstlerinnen und Künstler, die hier studieren oder kürzlich ihre Akademiezeit beendeten.
Conrad Müller, Donja Nasseri, Arisa Purkpong und Alexander Romey nutzen unter anderem das Medium Fotografie. Ihre Arbeiten entstehen – so schreibt es der Pressetext zur Ausstellung – aus einer Auseinandersetzung mit sich und ihrem Umfeld: Was bedeutet es, in der Welt zu sein, wo und wie positioniere ich mich?
Tja, was bedeutet es, in der Welt zu sein? Eine große Frage, vor deren Hintergrund man aus der Masse der Düsseldorfer Akademiestudenten und Abgänger sicher locker wieder 63 TeilnehmerInnen hätte einladen können. Im KIT sind es vier, wie gesagt. Es zeigen sich in den zum Teil eigens für den Tunnel konzipierten Exponaten vier extrem eigenwillige Positionen, denen wohl einzig die Befragung des Mediums Fotografie (mit Fragen, wie ‚Was bedeutet es, in der Welt zu sein?‘) gemein sein mag.
Die Betrachtung von Kunst, wenn es denn gute ist, bringt einen ja bekanntlich immer ein Stück der Antwort auf die Frage näher, was es denn bedeuten könnte, in der Welt zu sein. Der Erkenntnis Gewinn der vier präsentierten Werken bei ‚Von mir aus‘ ist durchaus unterschiedlich. Besonders hat uns die Installation Go Slowly (lovely moon) von Donja Nasseri inspiriert und in Bewegung versetzt.
Perfekt auf die Raumsituation in der Spitze des Kunsttunnels zugeschnitten, agieren ein geschätzt 12 – 15 Meter langer Teppich, ein Bildschirm an dessen Ende, eine Reihe von gerahmten Pigmentdrucken an der linken Wand und ein raumfüllender Sound miteinander. Nasserie nimmt es nicht gleich mit der Welt, aber mit Aspekten heteronormativer Eheschließungen, insbesondere einer traditionellen afghanischen Heirat auf. Der sandfarbene, lange Teppich etwa zeigt Symbole des Glücks und der Verheißungen einer Eheschließung; der Ring, das Paar, die Hand mit dem Symbol der Einheit. Doch noch während man die Strecke abgeht, den Blick nach unten, liest man Texte, wie ‚GO SLOWLY MY LOVELY MOON, GO SLOWLY‘ oder ‚WE WHISPER WE SMILE WE LAUGH WE FIGHT WE LOVE‘.
Zu der eher allgemeingütigen Ebene der Symbole gesellt sich etwas Persönliches, von Erfahrung getragene Aspekte des Lebens als Paar. Die kurzen Texte des Teppichs lenken die Wahrnehmung auf den Sound: nach typisch afghanischem Jubelheulen und rituellen, meditativen Klängen, spricht eine Frau Sätze, wie: He gave me a carpet instead of a ring oder 14 carat is not enough, I want 18 oder Gold is waiting for you, when you’r married. Es entspinnt sich ein Netz von Gedanken zur Bedeutung einer Heirat, sowohl im ideellen wie auch im materiellen Sinne. Es geht um Werte und Sicherheit eher, als um Zweisamkeit und Glück. Ein fragwürdiges Bild der Ehe als werte-orientiertes System mit wachsenden Vorbehalten, hier aus Sicht einer Frau kriecht aus dem Teppich hervor. Kurze Sätze, in ihrem Vortrag an die frühen Tonaufnahmen von Laurie Anderson erinnernd, spitzen die Beobachtungen und Gedanken zu. Am Ende steht die Empfehlung: it sticks on your finger, take it off and breath.
Am Ende des Teppichs ist meine Aufmerksamkeit vom geschrieben Text zum gesprochenen übergegangen. Mit Gedanken über soziale, monetäre und persönliche Perspektiven auf das Thema Heirat und Ehe wende ich mich den Pigmentprints zu. In der für Donja Nasseri inzwischen bekannten Herstellungsweise sind diese Bilder entstanden. Es sind Abstraktionen, die sowohl in der kleinen, wie in der großen Form und ihrer Materialität einen komplexen und schwer zu ergründenden Eindruck von Wertigkeit, von Fläche und zugleich auch einer vielschichtigen Räumlichkeit erzeugen. Häufig scheinen Teppich Ornamente die formale Grundlage dieser Arbeiten zu sein. Der Teppich, mal wieder in dieser Installation. Auf allen Ebenen gegenwärtig, lädt er zum bedächtigen Verweilen ein, ist langsam und ohne Schuhe zu betreten, Go Slowly (lovely moon).
Donja Nasseri studierte 2012/13 Fotografie an der Mimar Sinan Sanatlar Akademie Istanbul, zugleich an der TU Dortmund von 2011 bis 2015 Kunst. 2015 belegte sie ein Semester an der Kunstakademie Münster, bevor sie 2016 nach Düsseldorf in die Klasse von Gregor Schneider kam.
Die Ausstellung Von mir aus läuft noch bis zum 16. Juni 2019, und zwar hier:
KIT – Kunst im Tunnel
Mannesmannufer 1 b
40213 Düsseldorf